Das diesjährige Thema befragt unsere Zeit und wie wir es mit Grenzen halten: „grenzenlos?“ Die Frage setzt nicht das einst sehr unbekümmerte Medienereignis „Spiel ohne Grenzen“ aus früheren Zeiten fort. Philosophisch wie literarisch werden vielmehr lebensrelevante Grenzen und grenzwertige Situationen ernsthaft wie augenzwinkernd umspielt, Grenzen, die uns oder etwas eingrenzen und zugleich über sich hinausweisen und zu ihrer Überschreitung stimulieren. Laut Pressemitteilung der Bürgerinitiative geht es beispielhaft um folgende Themen- und Grenzbereiche.
Grenzenloser Wohlstand? Grenzenloses
Wachstum? Oder kommt es hier auf das individuelle Setzen von Grenzen an? Das
jedenfalls ist die These von John von Düffels Werk „Das Wenige und das
Wesentliche“. Gerade ein gewisser Minimalismus kann glücklich machen, „wenn das
Wenige dem Wesentlichen entspricht“, die Erde geschont und wir gesammelt(er)
werden. – Wer sich am Wesentlichen orientiert, galt wiederum immer schon und
gilt auch heute vielfach als rational. Was aber ist, wenn sich die Grenzen der
Rationalität persönlich wie in einer ganzen Familie verschieben, wie Susanne
Röckel in ihrem Roman „Vogelgott“ einmal durchspielt. Im Buch, das auch auf der
Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, wird meisterlich vorgeführt, wie selbst
bei rationalster Veranlagung einer gesamten Familie ein unheimlicher Mythos um
einen Vogelgott alle in Bann ziehen kann. Gibt es vielleicht gar keine klare
Grenze zwischen Logos und Mythos, Rationalität und Irrationalität? Wer wären
denn die Leute, die hier eine eindeutige Grenze ziehen wollten? Ist
Rationalität, alles durchschauen und kontrollieren zu wollen, vielleicht sogar
selbst ein Mythos?
Oder befinden wir uns, wie der Philosoph
sowie Natur- und Technikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Neuser meint,
sowieso an einer „Epochengrenze“? Haben wir mit der Entwicklung künstlicher
Intelligenz nicht längst schon den Schwellenbereich zu einer anderen Zeit
betreten? Die Grenzen herkömmlichen Wissens in seiner Bindung und Erzeugung an
uns Menschen als selbstbewussten Subjekten scheint zugunsten Künstlicher
Intelligenz mit ihren informatischen Algorithmen eingerissen zu sein. – Kommen
also demnächst, wenn überhaupt, nur noch „technische Grenzen“ auf uns zu?
Anschaulich wird das zumindest in den menschheitlichen Träumen der Raumfahrt.
Das permanente „Weiter“ in „Unendliche Weiten“ des Alls befragt der
Blumenberg-Experte Dr. Rüdiger Zill auf die vielfachen Paradoxien hin. Denn
Menschen unterziehen sich um der raumfahrtlichen Entgrenzung willen extremer
Eingrenzung. So machen sie sich ja um ihres Überlebens willen im All zu einem
Anhängsel der Technik. Wieder scheint eine Grenzlinie, dieses Mal diejenige
zwischen Freiheit und Unfreiheit, kaum noch erkennbar.
Und wie steht es um all die Grenzen, die
wir aus unseren lebensweltlichen Mikrowelten der Moral, von Migration,
Vertreibung, Verfolgung, Flucht und Asyl kennen? Vielfach sind hier die
zwischenmenschlichen Spannungen und Verhältnisse unter uns „hart an der
Grenze“. Doch gerade philosophische, literarische, filmische und
journalistische Aufarbeitungen vermögen „grenzwertige“ Verhältnisse
aufzuzeigen, Betroffenheit auslösen wie auffangen und hin und wieder
optimistische Lichtblicke von positiven Grenzüberschreitungen zu geben, so mit
Mark Gerstorfer, Steffen Nowak, Barbara Thimm, Paula Fürstenberg, Christine
Urspruch und Gün Tank.
Die 17. philosophisch-literarische
Salonnacht „Im blauen Sessel“ eröffnet am Freitag, 26. April, um 18.30
Uhr im Innenhof des Museums Humpis-Quartier. Die Salons sind in der
Ravensburger Marktstraße. Die Lesungen beginnen um 20 und 21.15 Uhr. Das
komplette Programm gibt es online unter www.imblauensessel.de
Autor: Ralf
Elm, Mitglied der Bürgerinitiative „im blauen Sessel“